Russenstahl reloaded


Es war einmal vor vielen Jahren, da hatte ich ein Gespann aus Russenstahl, ein BMW R65 - Motor werkte im Dnepr-Rahmen und überforderte andauernd die restlichen Komponenten des Fahrzeugs mit seinen ca. 50 PS.
Die Bremsen waren ein Albtraum, die Speichen rissen serienweise, die heute als Kronkorkenräder bezeichneten Uralräder fielen buchstäblich an den Nieten auseinander, Beiwagenbremse unbekannt, Lack war teilweise vorhanden, aber es war ein optisch wunderschönes klassisches Fahrzeug und machte viel Spaß.
Jugendsünde                                                                in Sardinien
Der Dnepr und der Hafenschlepper                   Elefantentreffen am Salzburgring         Grabhöhle bei Sorano

Meine Kinder fühlten sich irgendwann zu groß für den Beiwagen, und meine jetzige Ex und ich nahmen die Kids auf dem Sozius mit. Allerdings erkrankte ich an Entzugserscheinungen, ganz ohne Gespann gibt es kein Leben für mich. Eine riesengroße, fürchterlich getunte Guzzi mit Heigl - Beiwagen lief mir zu, war aber letztendlich auch zu unterbeschäftigt und kam wieder weg. Wieder Entzug, dann kam ein MZettchen ins Haus und begleitete mich viele Jahre durch Sommer und Winter. Letztere gaben dem Fahrzeug den Rest, aber ein Nachfolger ("August der Starke") kam her, und noch ein Wintergespann mit Lastenbeiwagen ("Hermes").
Die Jahre gingen dahin, die Ehe auch, und die "neue" Familie ist ebenfalls der Motorradfahrerei nicht abgeneigt.
Allerdings hat sich meine Substanz heftig vermehrt, ein Stiefsöhnchen mit knapp 2 Meter und eine zu mir passende Gemahlin packt das 250ccm MZ - Motörchen einfach nicht.
So schlichen wir auf der IMOT 2010 um die Stände mit den Gespannen herum, und Erstaunliches trat am URAL - Stand zutage:
Ein Fahrzeug mit funktionierender BREMBO - Bremse, alle Innereien werden aus dem Westen zugeliefert, und die Verarbeitung ist positive Lichtjahre vom DNEPR - Standard entfernt. Ein Rückfuhrsystem und ein ungeregelter Kat sorgen für reduzierte Umweltbelastungen, der Rückwärtsgang sorgt immer für immenses Aufsehen an der Eisdiele. Nur die klassische Optik, die ist noch da, echte Motorrad - Räder stabile 19" groß können das Gefährt und seine Insassen auch über grobstofflichen Untergrund tragen.

Wir haben dann im Februar eine Probefahrt vereinbart, mit einer auf Oldtimer getrimmten Version, mit Telegabel. Meine Frau fühlte sich im Beiwagen wohl und ich fühlte mich 20 Jahre jünger. Also haben wir unsere darauf folgende Erkältung auskuriert und so ein Ding bestellt, Ausführung "Tourist", ohne Beiwagenantrieb, dafür mit Vorderrad - Schwinge. Die Lackierung sollte schwarz mit weißen Zierlinien sein und nennt sich Bavarian Classic.

Jeden Morgen auf dem Weg zu Arbeit stellte ich mir vor wie auch in Irbit - wo das Ural - Werk zu Hause ist - ein alter, erfahrener Meister seine Brotzeit zusammenpackt und ins Werk fährt. Dann klemmt er liebevoll ein Stück Rundstahl ind den Schraubstock und feilt die nächste Schraube ...

Die Lieferung erfolgte super pünktlich. Ich hatte den Eindruck, die Werkstattleutchen der Firma Motoflot in Rottenburg an der Laaber freuten sich genauso wie ich, sie schickten mir ein Foto der frisch gelieferten Holzkiste. Die Zulassung war problemlos, und mit dem Nummernschild, Papieren und Kombis ließen Dominic und ich uns von Ingeborg nach Rottenburg fahren. Kurze Einweisung, anziehen, auf- bzw. einsteigen, erste Fotos, und ab gings.
Die ersten Fahreindrücke waren: etwas instabiler als das Oldiegespann, aber das wusste ich ja vorher, ich wollte ja ein 19" Fahrwerk. Bremsen: sehr gut.
Der Motor, mit 750ccm durchaus angemessen, brummelt oder grollt je nach Belastung,  das Ganze schluckt aber auch nicht mehr als das MZettele.

Reisetempo: bereits während der Einfahrzeit ausreichend.
Die Kiste aus Irbit ist bei Motoflot angekommen!         Einweisung in den heiligen Hallen von Motoflot
nahe Steinberg am Rofan In den Isarauen nahe Vorderriß
Hoch über dem Inntal Richtung Kühtai nahe Praxmar, mit Blick auf  den Lüsener Fernkogel
wie gerne würde ich sie vom Stangerl holen und befreien!